Winter - Wasser

Im Winter ist unser Immunsystem gefordert und oft leidet auch die Psyche an den frostigen und lichtarmen Wintertagen. Der Kontakt zur Außenwelt ist nun häufig auf das Wesentliche reduziert und der Mangel an äußerer Ablenkung lässt uns mehr nach innen blicken. Der Winter ist eine Zeit der Stille und des Rückzugs, der Innenschau und der Regeneration, aus der heraus wir neue Kraft schöpfen können. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird der Winter dem Element Wasser und somit dem "großen oder alten Yin" zugeordnet. Yin steht für die Ruhe, das Weibliche, das Kalte, das Dunkle und das Feuchte. Es ist eine zusammenziehende und stark nach unten gerichtete Kraft.  

"Sei Wasser, mein Freund. Leere deinen Geist. Sei ohne Form. Gestaltlos. Wie Wasser. Gibt man Wasser in eine Tasse, dann wird es die Tasse. Gibt man Wasser in eine Flasche, wird es die Flasche. Gibt man Wasser in eine Teekanne, wird es die Teekanne. Wasser kann fließen, oder es kann zerstören. Sei Wasser, mein Freund."

- Bruce Lee -

Wasser bildet die Grundlage allen Lebens, mehr als zwei Drittel der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt und auch unser Körper besteht zu ungefähr 70% aus Wasser. Wasser ist immer in Bewegung und steht doch gleichzeitig für Ruhe, kehrt immer zu seinem Ursprung zurück und wählt dabei den Weg des geringsten Widerstandes durch Anpassung. Vom Wasser können wir lernen, uns an neue Situationen anzupassen, flexibel zu sein und Wandlung in unserem Leben geschehen zu lassen.

Reinigung und Anpassung

Die Nieren und die Blase, sowie die Knochen und das Knochenmark werden dem Wasserelement zugeordnet. Die Nieren reinigen das Blut und regeln den Flüssigkeits-, Mineralien- und Hormonhaushalt im Körper. Laut TCM  bilden die Nieren die Grundlage für alle Energien des Körpers, denn sie speichern unsere Vitale Essenz (Jing) und sind der Ursprung für das Yin und Yang des Organismus. Die Nierenenergie ist verantwortlich für Wachstum und Fortpflanzung, gibt den Knochen und dem Haar ihre Kraft und steht in direkter Verbindung mit den Funktionen des Gehirns. Auch die Ohren und das Hören werden den Nieren zugeordnet. So deutet eine Hörschwäche oder Tinnitus immer auf ein Ungleichgewicht der Nierenenergie hin.

Die Blase ist das ausführende Organ der Nierenenergie und zuständig für die Ausscheidung von Giftstoffen. Sie sorgt für das Gleichgewicht der Körperflüssigkeiten. Die Energie der Blase unterstützt unsere Anpassungsfähigkeit auf allen Ebenen und hat großen Einfluss auf das autonome Nervensystem, sorgt also für Entspannung und Regeneration des Organismus. Der Blasenmeridian ist der längste Meridian und verläuft an der Rückseite unseres Körpers. Da sich hier auch der meiste Stress sammelt, steht er in engem Zusammenhang mit Rücken- und Nackenverspannungen, Bandscheibenschäden der Lendenwirbelsäule, Ischias und Hexenschuss sowie Blockaden im gesamten Energiesystem. Die Folge sind häufig Müdigkeit, chronische Erschöpfung und Niedergeschlagenheit.

Die Emotion des Wassers ist die Angst

Die Emotion Angst, sowie auch Furcht und Schrecken, sind eng mit den Nieren verknüpft. Redewendungen wie "das geht mir an die Nieren" oder "sich vor Angst in die Hosen machen" deuten schon auf die Energiebewegung nach unten, denn Angst lässt das Qi nach unten sinken, hin. Bei drohender Gefahr ist Angst absolut sinnvoll und notwendig, sie versetzt unseren Körper in Alarmbereitschaft und löst eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion aus, um unser Leben zu schützen. Leben wir jedoch in ständiger Angst und Sorge, so entsteht ein ungesunder Dauerstress und schwächt unsere Nierenenergie. Angst verbraucht viel von unserer Essenz. Umgekehrt kann eine schwache Nierenenergie alle möglichen Formen der Angst, wie existenzielle Angst, Versagensangst, Verlustangst, Phobien und Panikattacken auslösen. Auch Minderwertigkeitskomplexe, allgemeine innere Unruhe oder das Gefühl von Unsicherheit können sich zeigen.

Die Quelle unserer Willenskraft

Die Nieren beherbergen Zhi, den Elementargeist des Wassers. Zhi ist unsere Willenskraft und steht auch für Mut, Weisheit und geistige Stärke. Zhi gibt uns die Fähigkeit und Kraft unsere Ziele zu erreichen und hilft Ängste zu überwinden. Wenn unsere Nierenenergie stark ist, ist auch Zhi stark und wir haben genug Antrieb, Motivation und Entschlossenheit um unsere Ziele zu erreichen. Bei schwacher Nierenenergie ist Zhi geschwächt und es mangelt uns an Antrieb und Initiative. Der Zustand unserer Nierenenenergie ist somit auch ein wichtiger Aspekt bei chronischen Depressionen. Die Willenskraft Zhi beinhaltet einen Yang-Aspekt, dabei geht es um aktives Wollen und Umsetzen, und einen Yin-Aspekt, dem Nicht-Wollen oder Nicht-Handeln. Der aktive Yang-Aspekt unterstützt uns bei der Umsetzung von alltäglichen Dingen und beim Erreichen von langfristigen Zielen. Der Yin-Aspekt, im Taoismus Wu Wei genannt, entspricht dem absichtslosen Willen. Wu Wei bedeutet, dem natürlichen Lauf der Dinge zu folgen und sich dabei von einer inneren Stimme führen zu lassen, ohne etwas bewirken zu wollen. Und das erreichen wir, indem wir uns zurückziehen, still sind und lauschen - nach innen und nach außen. 

Wärme, Ruhe und Regeneration

Die Nieren lieben Wärme, deshalb ist darauf zu achten, dass der Bereich um die Nieren, sowie Füße und Knöchel, warm gehalten werden. Und da der Winter die Zeit der größten Kälte ist, müssen wir jetzt das Yang des Körpers schützen und uns von innen wärmen. Sehr gut dafür eignen sich lang gekochte Kraftsuppen und Eintöpfe. Ein warmes Frühstück, z.B. gekochter Getreidebrei, ist gerade an kalten Tagen sehr wohltuend. Auf Rohkost, kalte Getränke und thermisch kalte Nahrungsmittel hingegen sollten wir im Winter eher verzichten. Die TCM Ernährungsberaterin Mag. Katharina Ziegelbauer hat die 32 besten Nahrungsmittel für die Nieren hier zusammengestellt.

Um das Wasserelement zu stärken sind Aktivitäten und Bewegung im Wechsel mit entspannender Ruhe und ausreichend Schlaf wichtig. Im Winter sollten wir es generell ruhiger angehen, uns nicht verausgaben und mit unseren Kräfte haushalten, deshalb wird eher moderate Bewegung in Form von Do-In, Yoga, Qigong oder einfach nur Spaziergänge an der frischen Luft empfohlen. Meditation in Stille hilft dabei, uns selbst im Hier und Jetzt zu spüren und unsere innere Stimme wahrzunehmen. Um den Geist zu beruhigen, sowie Stress und Schlafstörungen zu reduzieren eignen sich auch Klangmeditationen (z.B.Tom Kenyon - Soma) sehr gut.

Bei akuter Erschöpfung und starken Unruhezuständen kann Shiatsu helfen. Die Behandlung des Blasen- und Nierenmeridians hat Einfluss auf unser ganzes Energiesystem, bringt tiefe Entspannung, verhilft zu Regeneration und kann außerdem unsere Willenskraft stärken. Shiatsu bietet einen geschützten Raum der Stille und Achtsamkeit, in dem wir unsere Bedürfnisse erkennen und einen Zustand innerer Ruhe erreichen können. 

Nichtstun ist besser, als mit viel Mühe nichts zu schaffen.

- Laotse -